Steven Wilson: The Harmony Codex

Steven Wilson credit Andrew Hobbs

Er ist der amtierende Weltmeister des zeitgenössischen Prog-Rock, wurde diesem Titel nach Ansicht mancher Fans zuletzt aber kaum noch gerecht. Schafft Steven Wilson mit „The Harmony Codex“ die Wende?

von Werner Herpell

Es gibt gar nicht so wenige glühende Verehrer von Steven Wilson, die ihm einige seiner neueren Alben ziemlich übel genommen haben. Markierten doch „To The Bone“ (2017) und vor allem „The Future Bites“ (2021) eine sehr freimütige, teilweise trotzig begründete Hinwendung des wohl wichtigsten Progressive-Rock-Musikers der Gegenwart zum Pop. Dass zuletzt sogar ABBA als Bezugspunkt des Multiinstrumentalisten und Top-Produzenten herhalten mussten, fanden langjährige Fans des Frontmannes von Porcupine Tree und höchst erfolgreichen Solisten nicht mehr witzig.

Hochkomplexe Songstrukturen

Steven Wislon The Harmony Codex Cover Virgin Music

Diese Skeptiker

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könnten nach „The Harmony Codex“ wohl ihren Frieden schließen mit dem 55-Jährigen. Denn die neue, siebte Solo-Platte des Briten stellt wieder hochkomplexe Songstrukturen, wuchtige Rock-Grooves, mächtige Bässe und Drums sowie auch erzählerisch eine Prog-Gravitas in den Mittelpunkt, die zuletzt zugunsten der Zugänglichkeit von Wilsons Liedern vernachlässigt worden war (wobei dieser Schreiber die milden Vorgängerwerke durchaus reizvoll fand).

Epische Klanglandschaften wie im Opener „Inclination“, dem grandiosen „Impossible Tightrope“, dem verträumte Titelstück oder dem edlen Closer „Staircase“ sind atemberaubend in ihrer Verbindung von progressivem Hi-Tech-Rock, kraftstrotzendem New Wave, Jazz und Sci-Fi-Pop. Als wenn Genesis zu glorreichen Peter-Gabriel-Zeiten, die fabelhaften Pink Floyd der mittleren 70er sowie die späten, beatlesken XTC und Tears For Fears gemeinsame Sache gemacht hätten – oder so ähnlich.

Ein „echtes“ Großwerk von Steven Wilson

Zwar gibt es auf dem aktuellen Wilson-Album immer noch einige kürzere, süßlich-melodische und daher erneut dem klassischen Mainstream-Pop zuneigende Songs wie das soulige Duett „Rock Bottom“. Aber insgesamt dürfte diese neue Veröffentlichung – auch wegen der famosen Gitarrensoli – wieder als „echtes“ Großwerk des Meisters, mithin als Rückkehr zur Topform akzeptiert werden. 

Selbst wenn die leicht größenwahnsinnige Grandezza von „Grace For Drowning“ (2011) oder dem zwei Jahre jüngeren „The Raven That Refused To Sing (And Other Stories)“ womöglich nie wieder erreicht wird: Steven Wilson bleibt im Prog-Rock das Maß aller Dinge – auch solo. „The Harmony Codex“ ist ein 65-minütiger, sehr lohnender Trip ins Artpop-Abenteuerland.

Das Album „The Harmony Codex“ von Steven Wilson erscheint am 29.09.2023 bei Virgin / Universal Music. (Beitragsbild von Andrew Hobbs)

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